Ich öffne die Tür, und da steht er vor mir, „Joshua“, eins meiner „Bezugskinder“, mittlerweile sind es zwei Jahre her, dass wir uns das letzte Mal persönlich gesehen haben. Vor mir steht ein glücklicher junger Mann mit strahlenden Augen. Er lacht mich an und wir verstehen uns wieder sofort. Ich freue mich sehr, ihn zu sehen. Zwar hatten wir in der ganzen Zeit immer Kontakt per Internet und Co gehalten, doch ihn wirklich wieder einmal zu treffen, ist für mich etwas Besonderes. In der Zwischenzeit ist viel passiert, Joshua hat seine Ausbildung zum Anlagenmechaniker erfolgreich absolviert und hat mit seiner Freundin eine Wohnung bezogen.
Joshua ist es wichtig, seiner Freundin Leimbach zu zeigen, den Ort, der die Wende in sein früheres Leben aus Drogen und ohne Perspektive gebracht hat. Es ist ihm auch wichtig, am „Spiel“ teilzunehmen, er möchte den Jungs sein Leben erzählen und sie motivieren, dass sich Durchhalten lohnt.
Ich habe ihm ein paar Fragen gestellt, die er mir gerne beantwortet hat.
Ulrike: Warum ist es dir so wichtig, deiner Freundin die Jugendhilfe Leimbach zu zeigen?
Joshua: Weil es ein Teil meines Lebens und meiner Entwicklung ist. Sie soll das wissen und verstehen.
Ulrike: Wenn wir die Uhr zurückdrehen würden, würdest du dann diesen Weg genauso noch einmal gehen, oder würdest du dich anders entscheiden?
Joshua: Aus der heutigen Sicht und Erfahrung würde ich diesen Weg jederzeit wieder so gehen. Damals hatte ich keine andere Wahl! Ich hatte nichts mehr! Ich war nur froh, dass ich mit Leimbach einen Ort gefunden hatte, wo ich bleiben kann. Ich hatte nach der achten Klasse die Schule geschmissen, hatte keine Arbeit und keine Bleibe mehr. Aber es war schon ein schwerer Weg.
Ulrike: Was war so schwer?
Joshua: Die ersten drei Monate waren sehr schwer. Neue Umgebung, neue Menschen, keine Freunde, Kontaktpause. Ohne Drogen klarzukommen und zu erkennen, wo man gerade im Leben steht, war sehr ernüchternd und hat mich traurig gemacht. In der ersten Woche habe ich mich sehr allein gefühlt.
Ulrike: Aber du warst doch nicht allein, es waren doch viele Menschen hier und für dich da, die auch ähnliche Erfahrungen gemacht haben, oder?
Joshua: Ja, aber ich musste erstmal lernen, mich auf die Menschen einzulassen und lernen über meine Gefühle, Wünsche und Träume zu sprechen. Oft stand ich mir mit meinem eigenen Dickkopf selbst im Weg. Auch hatte ich Angst, erneut von Menschen enttäuscht und verletzt zu werden. In meiner Zeit in Leimbach habe ich gemerkt, dass meine Freunde keine „richtigen“ Freunde sind, sondern Mitkonsumenten und es sich dort nur alles um Drogen, Party usw. dreht. Also keine echten Freunde sind!
Ulrike: Hättest du dir vorstellen können, als du am 11. April 2017 nach Leimbach gekommen bist, dass dein Leben sich so verändert?
Joshua: Ganz ehrlich – NEIN – (er lacht)! Ich hatte doch gar keinen Plan von meinem Leben, keine Ziele, keine Ideen.
Ulrike: Und wie hat sich das dann geändert?
Joshua: Durch ein Leben ohne Drogen fängst du wieder an, das Leben anders wahrzunehmen und merkst, was dir wichtig ist.
Ulrike: Was war dir denn wichtig?
Joshua: Na ja, einen Schulabschluss zu erlangen und dann eine Ausbildung zu machen. Ganz wichtig war mir, wieder einen „normalen“ Kontakt mit meiner Familie zu haben. Und natürlich wollte ich ohne Drogen leben!
Ulrike: Was war für dich eine wichtige Erfahrung?
Joshua: Dass wir oft unterschiedlicher Meinung waren und wir sogar gestritten haben (er lacht) halt mein Dickkopf, aber ihr mir dennoch immer wieder die Hand gereicht habt. Egal was vorgefallen war, ich wusste immer, das Team aus Leimbach steht zu mir. Das war ein gutes Gefühl.
Ulrike: Könnte man sagen, es war viel Reibung, aber auch Vertrauen?
Joshua: Ja, so war das!
Ulrike: Hattest du in Leimbach einen Menschen als Vorbild?
Joshua: Ja, Bernhard – Bernhard ist noch immer mein Vorbild. Er denkt immer in Lösungen und hat so viel Energie und Lebensfreude. (Bernhard Fielenbach ist der pädagogische Leiter der Jugendhilfe und er ist 73 Jahre alt)
Ulrike: Was würdest du jemandem raten, der ein Drogenproblem hat?
Joshua: Grundsätzlich denke ich, man muss erst ganz unten sein, um wach zu werden. So war es bei mir jedenfalls. Ich habe vorher all die guten Ratschläge nicht angenommen und dachte immer, ich habe alles im Griff. Aber wenn man sein Leben ändern möchte, dann sind die Fleckenbühler eine wirkliche Hilfe und Unterstützung. Dann würde ich sagen: „Geh nach Leimbach.”
Ulrike: Und wir sind stolz auf dich!