Perspektiven schaffen – drogenfrei leben – nachhaltig wirtschaften

Ein neues Leben dank „Therapie statt Strafe”

Marcel Paragraf 35

Marcel ist in einem beschaulichen kleinen Ort in Sachsen im September 1986 geboren.

In den ersten Jahren seiner Kindheit erlebt er mit seinen Eltern viele glückliche Momente. Marcel wächst als Einzelkind auf. Sein Vater arbeitet als Maurer und seine Mutter hat Weberin gelernt und diesen Beruf auch gerne ausgeübt.

Als es zur Trennung kommt, ist Marcel sieben Jahre alt und er zieht mit seiner Mutter in die 90.000 Einwohner große Stadt Zwickau. Die Idylle ist allerdings etwas getrübt. Die kleine Familie bezieht eine Wohnung in einem Plattenbau im Vorort. Ab diesem Zeitpunkt wird Marcel seinen Vater nur noch sporadisch sehen. Die Mutter findet einen neuen Partner und heiratet ihn später auch. Zunächst bleibt das Verhältnis unproblematisch, später gibt es Schwierigkeiten mit Gewalt in der Ehe und auch gegen Marcel.

Mit elf oder zwölf Jahren fängt er an Zigaretten zu rauchen, so genau weiß er das heute aber nicht mehr. Die teils schlimmen epileptischen Anfälle der Mutter, die zu dieser Zeit erstmalig auftreten, bleiben Marcel dagegen gut in Erinnerung. Die Ehe der Mutter scheitert, aber mit dem nächsten Partner wird es nicht besser: Marcel beschreibt die Zeit heute als „abschreckend – der Typ hat sie zum Saufen gebracht”.

Vielleicht wegen dieser Erfahrungen greift Marcel als Jugendlicher weniger zum Alkohol, sondern eher zu Marihuana. Mit chemischen Drogen fängt er erst spät an.

Zu dieser Zeit ist er viel allein zuhause, viele Tage vergehen im Rausch vor der Spielekonsole. Die Mutter schafft es kaum, Marcel zu unterstützen, es ist eher Marcel, der ihr beim Alltäglichen hilft. Er fehlt viel in der Schule und isoliert sich.

„Ich wollte nicht mehr allein sein.” Und so macht Marcel einen ungewöhnlichen Schritt. Er geht von allein in das Zwickauer Kinderheim und bittet um Aufnahme. Hier kümmert man sich um ihn und gibt ihm die notwendige Tagesstruktur. Den Schulabschluss schafft er als Jugendlicher nicht – aber er wird ihn später auf Hof Fleckenbühl nachholen.

Jetzt beginnt für Marcel eine gute Zeit. Er beginnt eine Ausbildung zum Fliesenleger bei einer städtischen Einrichtung und schließt diese auch ab. Marcel baut sich eine Beziehung auf und genießt ein paar unbeschwerte und glückliche Jahre.

Das Blatt wendet sich, als Marcel etwa 20 Jahre alt ist. Die Freundin verlässt ihn und kommt mit seinem besten Freund zusammen. Er ist am Boden zerstört und empfänglich für die Wirkungen härterer Drogen. Besonders Crystal Meth, das in Sachsen weit verbreitet ist, lässt ihn schnell nicht mehr los. Heute ist Marcel selber erstaunt, in wie kurzer Zeit er abhängig wurde und wie schnell der soziale Abstieg verlief: Innerhalb eines halben Jahres verlor er die Wohnung und die Arbeit. Der Kontakt zur Mutter wird in dieser Zeit immer weniger und weniger.

In den nächsten fünf Jahren ist Marcel ohne einen festen Wohnsitz. Das Crystal hat ihn fest im Griff. Heute bezeichnet er die Zeit als eine Art Parallelwelt. Ohne Disco und Party, aber bis zu zwei Wochen am Stück ohne richtigen Schlaf. Anschließend schläft er dann bis zu zwei Tage komplett durch. Er lebt bei Kumpels und verkauft Drogen, um sein Leben zu finanzieren.

Zu Beginn konnte er das Leben mit der Droge noch genießen, nach und nach verliert er aber den Bezug zur Realität. Marcel verbringt die Tage nur mit Dealen, Computerspielen und dem Konsum von Crystal und Marihuana.

Das schlimmste Erlebnis in dieser Zeit war ein Überfall: Er wurde mit vorgehaltener Waffe in der Wohnung überfallen, ins Bad gesperrt und ausgeraubt.

Zuletzt geht es Marcel immer schlechter, Ängste und Depressionen sind Folgen der harten Droge Crystal Meth. Er hat zwanzig Kilogramm weniger als heute gewogen.

Auch hat er zu dieser Zeit mehrere Bekannte durch Überdosierungen verloren.

Ich war froh, als die mich festgenommen haben!“

sagt Marcel heute rückblickend. Zunächst drei Monate Gefängnis wegen einer nicht bezahlten Geldstrafe und später zwei Jahre und drei Monate wegen des bewaffneten Handels mit Drogen. „In dem Jahr dazwischen ging nichts mehr“, sagt Marcel und ist im Nachhinein dankbar für das Urteil. Er kann sich noch gut an den Richter des Amtsgerichts Zwickau erinnern, der die Strafe ausgesprochen hat. „Therapie statt Strafe“ kannte Marcel vorher nicht, aber er durfte eine Therapie nach §§35, 36 BtMG beantragen und somit seine Zeit im Gefängnis verkürzen.

„Der § 35 war meine Rettung. Er hat mir die Chance gegeben, gegen meine Sucht anzukämpfen.“

sagt er. Schon die eineinhalb Jahre Gefängniszeit in Hohenleuben (Thüringen) verbrachte er drogenfrei und bemühte sich frühzeitig um einen Therapieplatz. Das Konzept der Fleckenbühler mit dem großen Bauernhof, weit weg von der alten Umgebung, und die Aussicht, richtig clean zu werden, faszinierten Marcel.

Heute ist Marcel gut sechs Jahre drogen-, alkohol- und rauchfrei. Er steckt gerade mitten in den Vorbereitungen für den Auszug in ein selbstbestimmtes nüchternes Leben.

Die Zeit in Fleckenbühl hat er gut für sich genutzt: Die Ruhe und Abgeschiedenheit, aber vor allem das Gefühl von Sicherheit, haben Marcel von Beginn an darin bestärkt zu bleiben und endlich mal etwas durchzuziehen. Von Beginn an waren Sport und insbesondere Calisthenics (Ganzkörpertraining nur mit eigenem Körpergewicht) für ihn ein neuer und wichtiger Teil des Lebens. Dabei hat er sich später auch sehr gerne für die neuen Bewohner eingesetzt und sie an den Sport herangeführt. Er hat sich von einem schmächtigen, blassen jungen Mann zu einem kräftigen selbstbewussten Kerl entwickelt. Die Arbeit im Team innerhalb des Zweckbetriebes der Umzüge hat Marcel Halt gegeben. Er hat sich als Teamleiter mit eingebracht und immer mehr Verantwortung übernommen. Der Führerschein, eine weitere Ausbildung zur Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice und sogar den in Zwickau verpassten Hauptschulabschluss hat Marcel bei den Fleckenbühlern absolviert. Doch viel wichtiger ist es für ihn, wieder Ehrgeiz, Selbstvertrauen und Stabilität gewonnen zu haben.

Mittlerweile ist der Kontakt zur Mutter und Familie wieder gut, er besucht sie und die alte Heimat von Zeit zu Zeit, freut sich aktuell aber noch mehr darauf, sein eigenes (Familien-)Leben in Südhessen aufzubauen!

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Unser Autor

Johannes Heckmann
Leitung Öffentlichkeitsarbeit

ed.relheubnekcelfeid@nnamkceh.j

Johannes ist seit 2014 Fleckenbühler mit ganzem Herzen. An allen drei Fleckenbühler Standorten zu finden und immer mit einem Blick für die Menschen und die (Erfolgs)Geschichten. Heute ist er als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit für die Pressearbeit und diese Website verantwortlich.

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