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Rationales Selbsthilfe-Training

Oft denken wir, die Welt könnte doch ein schöner Ort sein, wenn es nur nicht so viele Idioten gäbe, die … einfach nicht tun, was sie tun sollten, sie müssten doch wissen, dass es so nicht klappt, es ist doch einfach zum aus der Haut zu fahren, wenn man sich diesen Blödsinn anguckt, ich krieg gleich die Krätze, wenn ich mir diesen Schwachsinn auch nur eine Sekunde länger anschauen muss.

So oder so ähnlich geht es uns durch den Kopf. Schön wär’s ja, wenn es dabei bliebe, also beim Denken, meine ich. Aber leider bleibt es allzu oft nicht dabei, sondern wir werden aktiv. Das heißt, wir reagieren aus dem Bauch heraus und lassen die Sau raus – wie man so sagt. Selten entsteht daraus etwas Gutes.

Es funktioniert auch die andere Variante. Wir gehen zu einem Vortrag mit anschließender Diskussion. Interessanter Vortrag, spannendes Thema, dann die Frage: Vielen Dank Frau Sowieso, jetzt wäre also noch Zeit für ein paar Fragen, bitte … Einen Moment lang herrscht betretenes Schweigen. Mir wird heiß um den Kopf, ich hätte schon was zu fragen, aber wie formuliere ich das bloß, wahrscheinlich verhasple ich mich wieder, da meldet sich einer, ich kann noch drüber nachdenken. Der sich gemeldet hat, redet klug daher, das sind hier wahrscheinlich alles Akademiker, ich mach mich zum Idioten, wenn ich hier dummes Zeug rede, ich glaub, ich lass es besser bleiben. Ich fahre nach Hause und bin unzufrieden, weil ich mich nicht getraut habe. Naja, nächstes Mal.

Solche und ähnliche Situationen gibt es tausende. Das nennt man einen inneren Dialog, den wir ständig mit uns selbst führen. Das, was uns durch den Kopf geht, bestimmt letztlich, wie wir uns fühlen oder was wir dann tun. Leider ist es meist nicht damit getan, sich vorzunehmen, sich beim nächsten Mal zusammenzureißen oder sich einfach mal was zu trauen und den Mund aufzumachen, egal, ob es klug ist und die Anerkennung der anderen erfährt. Was kann man also tun?

Zuerst sollte man sich vielleicht klar machen, was da in unserem Kopf passiert. Denn die Gedanken, die wir in bestimmten Situationen denken, oder bestimmte Reaktionen, die wir an den Tag legen, ähneln einander. Man kann manchmal sogar von einem Muster sprechen. Das hat mitunter sogar etwas Zwanghaftes an sich. Im Zusammenhang mit Sucht sowieso. „Ich halt das nicht aus, wenn ich mir jetzt was reinziehe, geht’s mir gleich besser“ und „Einmal ist ja nicht so schlimm, ich hör dann gleich wieder auf“. Leider nicht.

Die gute Nachricht: Ja es hat etwas Zwanghaftes, aber es ist kein Zwang! Ob ich so oder so handle oder dies oder jenes denke, liegt letztlich an mir selbst. Niemand kann mich zwingen, etwas Bestimmtes zu tun, zu fühlen oder zu denken. Das mache ich immer selbst.

Wie ich denke, fühle, handle, kann ich lernen, einüben oder trainieren. Nicht im Sinne des positiven Denkens: be happy, go lucky, sondern indem ich mir klarmache, dass meine Gedanken möglicherweise nicht stimmen, sie mich der Lösung eines Problems nicht näherbringen oder ich schlicht nicht gesund (oder in unserem Falle nicht nüchtern) bleibe oder werde, wenn ich so etwas denke. Das nennt man Disputation seiner Gedanken.

Dem liegt eine wissenschaftliche Methode zugrunde, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde, die REVT (Rational-Emotive- Verhaltens-Therapie) nach Albert Ellis. Glücklicherweise blieb es nicht bei diesem sperrigen Namen. Und die Therapie hat sich auch entwickelt, weg von einer ein-zu-eins-Situation, hin zu einer Gruppentherapie, die nicht zwingend von einem Therapeuten geleitet wird, sondern eher von einem Lehrer oder Trainer. Letztlich, wenn man’s mal begriffen hat, kann man es alleine für sich machen und braucht selten mal als Korrektur einen Partner, der einem auf die Schliche kommt. In Fleckenbühl nennen wir es Rationales-Selbsthilfe-Training und praktizieren es erfolgreich bereits seit vielen Jahren. Also, wie Epiktet bereits vor zweitausend Jahren sagte:

Nicht die Dinge an sich beunruhigen uns, sondern unser Denken.

Unser Autor

Ronald Meyer
Vorstandsvorsitzender
die Fleckenbühler e.V.

ed.relheubnekcelfeid@reyem.r

Ronald ist ein Urgestein der Suchtselbsthilfe und seit 1971 ein prägendes Mitglied der Gemeinschaft. Unser Vorstandsvorsitzender entwickelt immer noch begeistert neue Konzepte und Vorhaben. Das Wohl der Gemeinschaft und die Zukunftsfähigkeit liegen ihm sehr am Herzen.

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